Carinthiacus 2022 Nominee: Stephan Weiss
Nominiert in der Kategorie international war der Schweizer Professor Stephan Weiss. Er forscht seit Jahren an kamerabasierter Navigation von Drohnen. Sein Institut für Intelligente Systemtechnologien der Universität Klagenfurt 2019 eröffnete im Lakeside Park eine der größten Drohnenhallen Europas. Bevor Herr Weiss nach Klagenfurt kam, hat er am Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Pasadena (Kalifornien) geforscht, welches Robotersysteme und Raumsonden für die NASA baut und steuert. Seine Forschung und die damit verbundenen Effekte für die Kärntner Wirtschaft sind mittlerweile nicht nur zu einem Stärkefeld der Kärntner Wirtschaft geworden, sondern zählen forschungstechnisch bereits zur Weltspitze.
Univ.-Prof. Dr. Stephan Weiss
Leiter der Forschungsgruppe Control of Networked Systems
Kategorie: International
Herr Prof. Weiss, Sie sind in Caracas geboren, in der Schweiz aufgewachsen und sind mit 34 Jahren aus den USA nach Klagenfurt gekommen. Mittlerweile Vater zweier Kinder und leidenschaftlicher Kärntner. Wie kommt es, dass Sie sich als Arbeits- und Lebensmittelpunkt Kärnten ausgesucht haben? Hat die Infrastruktur in Kärnten einen Einfluss darauf?
Die Universität Klagenfurt hat eine stark ausgeprägte Kultur der proaktiven Zusammenarbeit über Institute und Forschungsgruppen hinweg. Dieser Spirit ist ein fundamentaler Motor für Spitzenforschung, Motivation, und Inspiration – so wie es in der Grundlagenforschung sein sollte, aber international bei weitem nicht immer gelebt wird. Namhafte internationale Forschungseinrichtungen leiden oft darunter, dass Forschungsgruppen zu fokussiert auf sich selbst sind, anstatt einen aktiven Anschluss über die Institute hinweg zu suchen. Diese Zusammenarbeit an der Universität Klagenfurt trug aus meiner Sicht essentiell zum Erfolg des hier entstandenen Drohnenhubs bei.
Zudem hat Kärnten, insbesondere in Klagenfurt, eine einzigartige Kombination aus einem starken wissenschaftlichen Fokus und Freizeitangeboten. Diese Balance ist sehr wichtig für eine gesunde Motivation und Inspiration in der Grundlagenforschung. Die Freundlichkeit gegenüber Jungfamilien war zudem ein hoch willkommener Zusatz, den ich mit meiner Familie hier erleben durfte.
Sie haben an der ETH Zürich Elektrotechnik und Informationstechnologie studiert, für die NASA in den USA gearbeitet und 2015 haben Sie Ihre Forschungen an der Uni Klagenfurt begonnen. Sie forschen an kamerabasierter Navigation von Drohnen, können Sie unseren Lesern erklären, worum es hier genau geht?
Wir benutzen die Kamera auf den Drohnen, wie wir Menschen unsere Augen nutzen, um zu wissen, wo wir uns befinden und wohin wir als nächstes gehen wollen. Mit zwei Augen können wir unsere Umgebung direkt in 3D (mit Information über die Entfernung) wahrnehmen. Die Drohnen nehmen ein Bild mit einer Kamera auf, bewegen sich etwas und nehmen ein zweites Bild auf. Somit haben sie, über die Zeit gesehen, auch zwei Augen, mit welchen sie ihre Bewegung bezüglich der Umgebung berechnen können. Nun versuchen wir, diese Bildinformationen direkt auf der Drohne zu verarbeiten. Damit ist die Drohne komplett unabhängig von äußeren Strukturen wie zum Beispiel einem Rechner, dem Mobilfunknetz, WiFi oder GPS, und kann dennoch in zuvor unbekannten Umgebungen fliegen und Arbeiten verrichten. Die
Unabhängigkeit von GPS ist besonders interessant, da die Drohne damit auch in einem Tunnel, in Häusern, oder aber auch auf dem Mars fliegen kann, ohne weitere Einrichtungen zu benötigen.
Sie entwickeln in Europas größter Drohnenflughalle, zugehörend zur Universität Klagenfurt im Lakeside Park, gemeinsam mit Ihrem Team ganz neue Transportmethoden. Worin besteht der große Vorteil, dass man nicht mehr auf dem Boden bleiben muss, um Produkte von A nach B zu bringen? Und warum wird gerade in Kärnten so viel geforscht und entwickelt?
Ein offensichtlicher Vorteil sind die kürzeren Wege, doch dieser Gedankengang reicht relativ weit in die Zukunft. Unsere Grundlagenforschung leistet einen wesentlichen Anteil an Transportmethoden von Morgen, da wir mit mobilen Systemen in der Luft effizienter und umweltschonender arbeiten können. Dies startet von der Möglichkeit, eine Lieferung mit der Drohne direkt in den 42.Stock zu fliegen, anstatt die Paketübergabe über einen Liftweg und auf dem Parkplatz abzuwickeln. Zukunftsorientiert gedacht – wenn Straßen, dessen Wartung und die Beeinflussung der Natur obsolet werden und zumindest der Nahbereich mit Flugtransportmitteln bewerkstelligt wird, welche mit grünem Strom betrieben werden, benötigt dies ein sicheres, vertrauenswürdiges und hochperformantes Navigationssystem als Kern dieser Transportmittel. Kärnten hat an der Universität Klagenfurt eine einzigartige Infrastruktur und Kooperationsumgebung, welche solche Visionen unterstützen und wahr werden lassen können.
Seit Herbst 2022 bietet die Universität Klagenfurt den Bachelorstudiengang Robotics & Artificial Intelligence an. Sie leisten mit Ihrer Arbeit einen wesentlichen Beitrag, diese Ausbildung hier am Wirtschafts-, Lebens- und Bildungsstandort Kärnten anzubieten. Können Sie auf diese Weise der großen Nachfrage nach Fachkräften, die diese Soft- und Hardware entwickeln, gerecht werden?
Der neue Bachelorstudiengang “Robotics & Artificial Intelligence” hat mit guten Zahlen gestartet und wir freuen uns, dass wir in diesem Bereich viele neue Fachkräfte ausbilden dürfen. Die weltweite Nachfrage für diese Fachkräfte ist insbesondere in Kärnten stark am wachsen. Auch wenn es noch weitere Investitionen in diese Richtung benötigt, blicke ich positiv dieser Entwicklung entgegen. Grundsätzlich heißt dies, dass sich Kärnten in der Digitalisierung stark entwickelt und auch international eine Vorzeigerolle übernehmen kann. Hier sind alle Beteiligten gefordert und ich würde mich freuen, wenn das Land, die Industrie und Bildungseinrichtungen gemeinsam verstärkt an diesem Strang ziehen, um Kärnten voranzubringen.
Sie kooperieren mit Partner:innen in aller Welt und in Kärnten arbeiten Sie zum Beispiel an der Entwicklung zur Automatisierung eines Forstkrans mit der Maschinenfabrik Springer. Dürfen Sie uns noch weitere Projekte verraten, bei denen Sie mit Kärntner Unternehmen kooperieren?
Die Umgebung im Lakeside Park bietet uns ein einzigartiges Ökosystem, in dem wir mit starken kärntner Partnern unsere Grundlagenforschung in die kärntner bzw. österreichische und teils internationale Industrie bringen können. Neben Industrieunternehmen haben wir aber auch eine enge Verbindung mit nicht-universitären Forschungseinrichtungen, wie Joanneum Research oder Lakeside Labs, welche mit und für uns eine exzellente Brücke von der Grundlagenforschung in die Industrie bilden. Direkte kärntner Industriepartner gibt es viele, darunter Drohnenhersteller und -Serviceanbieter wie Copterlog Services GmbH oder AIR6 Systems GmbH, mit denen wir in Projekten die präzise Navigation und Landevorgänge von Drohnen untersuchen. Mit Infineon werden verschiedene Navigationssensoren untersucht, mit E.C.O. Institut für Ökologie haben wir Waldvermessungen in einem FFG Projekt betrachtet und viele meiner Kollegen haben Projektaktivitäten mit weiteren Unternehmen in Kärnten.
Herr Professor Weiss, wir haben über Sie gelesen, dass Sie auch privat gerne in die Lüfte als Gleitschirmflieger steigen. Woher kommt Ihre Leidenschaft, die Welt von oben zu betrachten? Schöpfen Sie daraus Inspiration für Ihre Arbeit?
Meine Passion ist im 3D Raum. Die Welt von oben – mit dem Gleitschirm – betrachte ich genauso gerne wie von unten beim Tauchen. Die Freiheit in der dritten Dimension ist tatsächlich ein wichtiger Pool von Inspiration in meiner Arbeit. Sie regt zum Denken an – „wie können wir weiter kommen, was bringt uns dorthin, wo wir derzeit noch nicht hinkommen?”.