„Nachhaltigkeit bedeutet, immer nach vorn zu schauen“
Mit über 50 Jahren internationaler Erfahrung ist die HIRSCH Servo Gruppe führender Verar-beiter sowie Marktführer in der Partikelschaum-Industrie.
Im Interview gibt CEO Harald Kogler Einblick, warum Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und ökologische Verantwortung im Zentrum seines Handelns stehen, wie Wettbewerber in Österreich zu einer Familie werden und weshalb Kreislaufwirtschaft und Kärnten eng zusammenhängen.
Die HIRSCH Servo Gruppe ist Europas größter Styropor Dämmstoff- und Verpackungshersteller. Können Sie uns einen kurzen Einblick geben, welche Schritte auf dem Weg zum Marktführer entscheidend waren?
Kogler: Das Unternehmen HIRSCH ist über 50 Jahre alt. Zu Beginn hat es sich mit Styropor, oder Porozell, wie es in Österreich heißt, und Verpackungen beschäftigt. Dann ist der Dämmstoff-bereich hinzugekommen. Aufbauend auf diesen Erfahrungen hat man eigene Maschinen und Technologien entwickelt und ist parallel zum Weltmarktführer für Maschinentechnologien und Verfahrenstechnik für Partikelschäume aufgestiegen. Die Position im Dämmstoffbereich hat sich erst in den letzten zehn Jahren so entwickelt. Dabei wesentlich war die Blickrichtung nach Deutschland, unseren Hauptexportmarkt. 2017 sind wir mit der Akquisition von Dämm-stoffwerken in Deutschland zu einem großen Player aufgestiegen und haben damals mit ei-nem Schritt den Umsatz verdoppelt. Das war für uns ein großer und mutiger Schritt, und na-türlich ein richtiger Schritt. Anschließend haben wir den Dämmstoffbereich auch in anderen Ländern ausgebaut, weil er enorm wichtig ist als ein zentrales Thema für den Green Deal und die Reduktion von CO2-Emissionen. Denn 70 Prozent des Gebäudebestandes in der EU ist in einem schlechten Zustand und muss thermisch saniert werden.
Sie haben einmal gesagt, dass „das Forcieren der kundenorientierten Unternehmensführung mit einem zutiefst umweltbewussten Ansatz“ bei Ihnen im Mittelpunkt steht, um auch in den nächsten Jahren zu den Besten der Besten zählen zu dürfen. Wie sieht dieser umweltbewusste Ansatz aus?
Kogler: Mein ganzes Leben lang war ich immer an vorderster Front in Unternehmen und für mich hat der Geschäftsführer oder Vorstand als wesentlichste Aufgabe immer den Markt und immer die Kunden in den Fokus zu stellen. In unserem Fall stehen dahinter die Produktionen. Wir haben derzeit 36 Produktionsstandorte in zehn europäischen Ländern, die auf dem Stand der Technik sein und immer weiterentwickelt werden müssen. Der wesentliche Aspekt sind dabei wie bei jedem Industriebetrieb die Emissionen, also Staub, Lärm, Abfälle, Ausstoß, der produ-ziert wird. Mein Anspruch ist: Ich will die saubersten Betriebe und ich will keine unnötigen Emissionen in die Umgebung tragen. In unserem Fall will ich also keine einzige Kunststoffper-le auf den Nachbargrundstücken oder nicht einmal außerhalb einer Produktionshalle sehen. Deshalb haben wir uns dem Projekt Operation Clean Sweep (OSC) angeschlossen, das ei-nen so verantwortungsvollen Umgang wie möglich mit Kunststoffen fördert. Das sind wir un-serer Umwelt schuldig. Auch unser Standort in Glanegg ist ein gutes Beispiel. Als ich vor zehn Jahren ins Unternehmen gekommen bin, war der nicht so, wie ich ihn mir vorgestellt habe und jetzt haben wir ihn sukzessive ausgebaut und modernisiert. Heute ist es immer noch ein „alter“ Betrieb, aber zählt zu einem der am besten gemanagten in der ganzen Styropor-Industrie in Europa.
Inwiefern ist Nachhaltigkeit bei Ihnen noch mehr als nur ein zentrales Schlagwort?
Kogler: Nachhaltigkeit ist leider zu einem Modewort verkommen. Man kann Nachhaltigkeit philoso-phisch betrachten oder rein technisch, meistens ist es eine Mischung. Ich als Techniker sehe einen Betrieb als geschlossenes System mit Systemgrenzen, als „Kastl“, wenn man so will, und da geht was rein als Rohstoff, Energie, Wasser, und es geht was raus als Produkt. Das lässt sich überall quantifizieren und man kann Optimierungsschritte festlegen und am Ende mündet das alles in einen Nachhaltigkeitsbericht. Als Techniker ist das für mich einfach und logisch, denn aus Ingenieurssicht betrachtet, hat ein Unternehmen nur dann eine Zukunft, wenn es sich nach vorne orientiert. Nur auf allen Checklisten ein Häkchen zu machen, das reicht mir nicht. Wir müssen ständig verbessern, wir brauchen laufend Investitionen, weil mit der Verwaltung von Bestehendem heute ein Unternehmen nicht wettbewerbsfähig zu führen ist. Und damit ist auch Nachhaltigkeit ein zentrales Thema, an dem wir kontinuierlich arbeiten müssen.
Die Kunststofftechnik hat sich in Österreich zu einem wirtschaftlichen Stärkefeld und Innovationstreiber entwickelt. Welche Chancen für wirtschaftliches Wachstum und Zusammenarbeit bietet Ihren Erfahrungen nach speziell der Standort Kärnten?
Kogler: Kunststoff ist ein Werkstoff, der aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken ist. Allerdings ist dieser Kunststoff immer wieder in Verruf geraten, weil es ein ölbasierendes Produkt ist, in der Natur nicht verrottet und man sehr sorglos damit umgegangen ist. Sorglos insofern, weil man sich des Wertes dieses Werkstoffs nicht bewusst war und man ihn einfach weggeworfen hat. Und dann findet man Kunststoff überall, leider auch in der Natur, aber das ist der Um-gang der Gesellschaft. Gleichzeitig sind technische Kunststoffe aus unserem Alltag, unserem Leben und unseren Technologien nicht wegzudenken und man kann sie auch nicht in jedem Fall einfach substituieren. Daher ist es so unglaublich wichtig, eine funktionierende Kreislauf-wirtschaft zustande zu bringen. Da ist auch die Gesellschaft gefordert: Wir müssen Kunststoffe sammeln, wir müssen separieren und dann im Kreislauf führen – das funktioniert.
Wir haben das Glück, dass wir in Kärnten einige Leitunternehmen haben. Diese Aushänge-schilder in Kärnten sind meistens durch Familien oder Einzelpersonen geprägt. Wenn man zum Beispiel im Raum Völkermarkt Kunststoff hört, ist das unmittelbar verbunden mit dem Namen Werner Kruschitz. Alle Unternehmen, die dort existieren, wie PreZero oder Steinbeis haben mit ihm zu tun, weil er sich sein ganzes Leben im Bereich Kunststoffrecycling enga-giert hat und als Ergebnis einen Recyclingcluster geschaffen hat. Da gibt es noch andere Bei-spiele, wie Europlast, das in den 90er Jahren begonnen hat und sich zu einem großartigen Spritzgussunternehmen entwickelt hat. Diese Entwicklungen zeigen, wie gut Wachstum in diesem Bereich funktionieren kann.
Wo liegen die besonderen Stärken der regionalen Kunststoffbranche?
Kogler: Wir haben in Kärnten ein paar Vorreiter und Technologieführer und diese Stärke sollte man nutzen. Denn dahinter stecken Netzwerke und auch Kunden und wir sind über die Landes-grenzen hinaus bekannt für diese Unternehmen. Das zeigen auch ehemalige Betriebsansied-lungen wie PreZero und Steinbeis, bei denen aus dem Ausland jemand darauf aufmerksam geworden ist, was hier vorhanden ist: Knowhow und Ressourcen in Form von Unternehmen und Mitarbeitern. Und das ist aus meiner Sicht entscheidend. Denn natürlich ist es in Kärnten auch schön. Aber schöne Orte findet man auf der ganzen Welt. Doch ein Netzwerk wie hier und Menschen, die sich mit dem Thema identifizieren und es voranbringen, das findet man nicht so oft.
Welche Anlaufstellen, Entwicklungen oder Förderungen sind aus Ihrer Sicht für hinzu-ziehende Unternehmen besonders hilfreich?
Kogler: Da bin ich natürlich „vorbelastet“, weil ich Gründungsvorstand des KWF war und Geschäfts-führer der BABEG. Unabhängig davon glaube ich aber, dass die BABEG eine professionelle Organisation ist, die Unternehmen, die nach Kärnten kommen möchten, bestens unterstützt und serviciert. Auch im internationalen Vergleich ist das eine top erste Anlaufstelle. Der KWF kümmert sich mit einem knackigen Team um die Förderungen, sofern sie in Frage kommen, und ist eher für kleinere und mittlere Unternehmen und den Bereich F&E vorgesehen.
Für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft braucht es gute Partnerschaften und ein starkes Netzwerk. Können Sie uns einen Einblick geben, wie die Zusammenarbeit in Kärnten funktioniert und welche Ergebnisse daraus resultieren?
Kogler: Ein gutes Beispiel ist da das Projekt „EPSolutely“ unter der Leitung von Fraunhofer Austria. Das ist ein überregionales Projekt, das wir auf ganz Österreich ausgerollt haben. Gemeinsam mit Partnern aus allen Bereichen des Wertschöpfungssystems entwickeln wir Konzepte für eine funktionierende EPS-Kreislaufwirtschaft, deren Erkenntnisse europaweit als Benchmark dienen. Da kommt uns zugute, dass es in unserem Segment mehrere Player gibt in Öster-reich, die sich in den unterschiedlichen Regionen engagieren. Wir übernehmen die Bundes-länder Kärnten und Steiermark. So haben wir jetzt ein flächendeckendes Netzwerk, wo wir EPS-Abfälle rückführen in die Unternehmen und daraus dann wieder einen Rohstoff machen. Dieses Projekt zeigt auch, was eine Kooperation von Wettbewerbern leisten kann, die aber gleichzeitig eine Art Familie sind, weil wir gemeinsam Sorge zu tragen haben, dass unser Werkstoff wieder zu unseren Rohstofflieferanten zurückgeführt wird, um daraus wieder einen neuen recycelten Rohstoff zu machen.
„Mit Ideen expandieren“ ist als Leitspruch auf der HIRSCH Website zu lesen. Welche Ideen der HIRSCH Servo Gruppe müssen in nächster Zeit unbedingt in die Tat umgesetzt werden? Welche Idee für den Standort Kärnten?
Kogler: Energieverbrauch ist in unserem Fall ein wichtiges Thema. Wir schauen, dass der ökologische Fußabdruck unserer Produkte weiter reduziert wird. Wir haben in der Unternehmens-gruppe bereits sehr viel in Photovoltaik investiert und können damit z.B. am Standort Glanegg circa 20 Prozent unseres Strombedarfs decken. Die zweitgrößte Ressource ist bei uns Erd-gas, da die Dampferzeugung für das Aufschäumen von EPS-Granulat bisher mit Erdgas funktioniert. Das stellen wir bis Ende 2025 auf Biomasse um, in einem Pilotprojekt, in welches wir einen hohen einstelligen Euro-Millionenbetrag investieren. Dieses Projekt soll dann wiede-rum als Role Model dienen für unsere anderen Standorte, an denen wir in den nächsten Jah-ren ähnliche Projekte umsetzen wollen. Dieses Knowhow, das wir hier haben, das verwenden wir nicht nur in unserer Gruppe, sondern auch bei unseren Marktbegleitern, weil wir auch weltweit führender Anbieter von Maschinen und Formwerkzeugen für die Verarbeitung von Partikelschäumen sind und ganze Fabriken mit unseren Gesamtlösungen ausstatten. Da spie-len die Themen Energieeffizienz, Ressourceneinsatz, Energieerzeugung immer eine wichtige Rolle. Dieser Ansatz kostet viel Geld und viel Ressourcen, aber ist wichtig für die Weiterent-wicklung der Branche weltweit. Das alles machen wir am Standort in Kärnten.
Denn auch wenn wir ein europäisches Unternehmen sind, ist unsere Konzernzentrale nach wie vor in Kärnten und darauf bin ich stolz. Das bedeutet auch, dass man häufig unterwegs ist. Vieles funktioniert zwar online, aber eine Geschäftswelt ist eben auch durch Emotionen und persönliche Kontakte geprägt. Und da haben wir das Glück, dass wir mit Ljubljana eine Hauptstadt nur 70 km entfernt haben, Venedig auch nicht weit weg ist und über Graz eine gute Verbindung nach Deutschland besteht. Die Lage ist also optimal, da kommen wir rund um den Globus.
Messe Cirplex 2025
2025 findet in Klagenfurt die erste CIRPLEX statt. Welche Erwartungen haben Sie an die Messe?
Kogler: Ich habe sozusagen ein Hobby und bin ehrenamtlich Aufsichtsratsvorsitzender der Klagenfur-ter Messe. In dieser Funktion haben wir uns Gedanken gemacht, wie wir die Messe Kla-genfurt weiterentwickeln können. Bisher gibt es nur eine Messe von internationaler Bedeu-tung, das ist die Holzmesse alle 2 Jahre. Als wir dann überlegt haben, wo die Stärken oder Schwerpunkte von Unternehmen in Kärnten liegen, waren wir schnell bei Kunststoffverarbei-tung und Recycling. Zu diesem Thema gibt es bisher große internationale Formate zum Bei-spiel in Amsterdam, aber im klassischen Alpen-Adria-Raum gibt es da bisher nichts. Daher haben wir Recycling in der Kunststoffindustrie als Schwerpunkt festgelegt. Wir glauben, dass der Kunststoffbereich groß genug ist, dass wir einen nachhaltigen Bezug zur Kärntner Recyc-lingindustrie darstellen können.
Inwiefern ist die Messe für Unternehmen in Nachbarmärkten und speziell Deutschland interessant?
Kogler: Wir bemühen uns schon seit einem Jahr, ein wirklich interessantes Programm auf die Beine zu stellen mit sehr guten Key Note Speakern, konnten zum Beispiel BASF gewinnen und auch die Europäische Vereinigung der Styroporverarbeiter, EUMEPS, wird hier sein, und vie-le tolle Aussteller. Dafür haben Werner Kruschitz und ich unsere Netzwerke intensiv genutzt, um für Aussteller und Vorträge zu sorgen, für die sich auch eine weitere Anreise nach Kärn-ten lohnt.
Kärnten und Kunststoffkreislaufwirtschaft – wie weit ist Kärnten aus Ihrer Sicht in diesem Bereich?
Kogler: Kärnten ist bekannt für Kunststoffkreislaufwirtschaft und wir werden wahrgenommen, dank unserer Leitbetriebe und engagierter Personen in diesem Bereich. Das merke ich auch immer in meiner Funktion als „Botschafter“ für Kärnten in der Kunststoffindustrie, wenn wir internati-onale Gäste haben und diese immer sehr angetan und beeindruckt sind. Wichtig ist, dass wir nicht auf dem bestehenden Status verharren, sondern uns weiter entwickeln. Dann sind wir auf einem sehr guten Weg.
Herr Kogler, wir danken Ihnen herzlich für das Gespräch.