Schule mit Zukunftsvisionen: EUREGIO HTBLVA Ferlach
Als südlichste, berufsbildende Schule Österreichs bietet die höhere technische Bundeslehr- und Versuchsanstalt Ferlach einerseits grenzenlose Bildung, was auch der örtlichen Nähe zu Slowenien und Italien geschuldet ist, aber auch das Ineinandergreifen von Allgemeinbildung, praktische Berufsausbildung in sehr fokussierten Fachgebieten und Persönlichkeitsbildung.
Das Ausbildungsangebot umfasst Robotik & Smart Engineering, die Fachschule für Kunststoff- und Recyclingtechnik, eine höhere Lehranstalt für Art & Design, in der es um Schmuck oder Graviertechnik geht und welche die Ausbildung zum Tattoo Artist inkludiert. Industrie- und Produktdesign ist ein weiterer renommierter Ausbildungsbereich. Historisch für die Büchsenmacherstadt Ferlach bedingt, stellt die Ausbildung in der Waffen- und Sicherheitstechnik bzw. in der Fachschule für Büchsenmacher den ältesten und bundesweit bekanntesten Ausbildungszweig dar. Mit dem neuen Ausbildungszweig für Kunststoff- und Recyclingtechnik ist es in Kärnten einmal mehr möglich, Betriebe mit qualifiziertem Nachwuchs zu versorgen.
Liebe Frau Bergmoser, im Jahr 2014 haben Sie die Schulleitung als Direktorin übernommen. Wie kam es dazu und was würden Sie sagen, macht Ihr Ausbildungskonzept so besonders?
Bergmoser: Ich war überzeugt, dass es Zeit für die erste Direktorin an einer HTL war und darüber hinaus war ich immer von Innovationsgeist und meinen Ambitionen, etwas bewegen zu wollen, geprägt. Das ist auch mit mittlerweile drei neuen Schwerpunktsetzungen erfolgreich gelungen. Die HTL Ferlach blickt auf eine sehr lange Geschichte und Tradition zurück und es macht uns besonders, dass wir unsere sieben verschiedenen Ausbildungsschwerpunkte als einzige HTL in Kärnten und teilweise im ganzen Bundesland anbieten.
Die Euregio HTBLVA Ferlach gibt es seit 144 Jahren. Zu Beginn war es eine k&k-Fachschule für die Gewehrindustrie in einem Ort, in welchem seit 450 Jahren die Ferraris der Jagdwaffen hergestellt werden. Seit diesem Schuljahr bieten Sie erstmals die Ausbildung zum/zur Kunststoff- und Recyclingtechniker:in an. Was bewog Sie, mit Ihrem Team einen weiteren Ausbildungszweig zu entwickeln?
Bergmoser: Unsere Schule hat ein einzigartiges Angebot an Ausbildungsmöglichkeiten, die Schüler:innen aus ganz Österreich und dem gesamten deutschsprachigen Raum anziehen. Mit unseren neuen Entwicklungen und schulautonomen Schwerpunktsetzungen versuchen wir stets den laufenden Anforderungen der Wirtschaft und des Marktes zu entsprechen und hier die gefragten Fachkräfte auszubilden.
Kärnten ist bereits bekannt als Clusterland für die Mikroelektronik. Entwickelt sich nun auch ein weiterer Schwerpunkt in der Kunststoff- und Recyclingtechnik?
Bergmoser: Unser Ziel ist es, in Südösterreich einen Cluster zu entwickeln und hierfür brauchen wir die Unterstützung der Wirtschaft. In Völkermarkt und Kühnsdorf hat der Kunststoffrecycling-Pionier Werner Kruschitz im Bereich der Kreislaufwirtschaft sehr viel bewegt. Mit allen wichtigen Unternehmen pflegen wir einen intensiven Austausch und Kooperationen, was notwendig ist, um die notwendigen Klimaberufe für die Zukunft an unserer Schule zu unterrichten. Wir möchten der Wirtschaft qualifizierte Fachkräfte zur Verfügung stellen und das gelingt nur durch gut gelebte Partnerschaften.
Zum Thema “Praxisorientierte Ausbildung”: Dürfen wir erfahren, mit welchen Kärntner Betrieben Sie hier eng zusammenarbeiten?
Bergmoser: Wie Sie wissen, ist Kärnten das Land des Kunststoffrecyclings, wir haben die größten und namhaftesten Kunststoffrecycler in Kärnten angesiedelt und alle Betriebe sind hier unsere Partner.
Wir haben zahlreiche Kooperationen mit Unternehmen aus dem Maschinenbau und nun speziell auch Betriebe in der Kunststoff- und Recyclingtechnik eingebunden. Infineon Technologies unterstützt uns besonders im Bereich Robotik und Smart Engineering, weshalb bei uns eine Smart-Learning-Klasse installiert wurde. Außerdem kooperieren wir offiziell mit vielen Kärntner Firmen, mit denen wir in weiterer Folge auch Diplomarbeiten realisieren. In Bezug auf Kunststoff- und Recyclingtechnik arbeiten wir besonders mit den Unternehmen von Werner Kruschitz zusammen, weiters zählen aber auch unter anderem die Firmen Hirsch Servo, Erema, PolyVert Steinbeis, Gojer, Europlast, Syncycle, Mahle Prezero u.v.a. zu unseren Partnern, die ein großes Interesse an qualifizierten Mitarbeiter:innen für die Zukunft haben. Selbst die Vereine Österreichischer Kunststoffkreislauf (ÖKK), der österreichische Carbon Cycle Circle (ÖCC²), der Kunststoff-Cluster, PlasticsEurope und die Kunstoffinnung der WKO sehen die Entwicklung bei uns an der HTL Ferlach als sehr zukunftsweisend und unterstützungswürdig.
Silke Bergmoser, Direktorin
“Auch wenn noch viel bis dahin zu tun ist – wir verfügen über die nötigen Ressourcen, das erforderliche Expertenwissen und den notwendigen Innovationsgeist, damit Kärnten zum Mekka der Kreislaufwirtschaft wird.“
Frau Grasser, Sie sind unter anderem Abteilungsvorständin für Robotik und Smart Engineering an der HTL Ferlach. Wie dürfen wir uns diese Ausbildung vorstellen und wie sehen Sie in weiterer Folge die Chancen am Kärntner, aber auch am internationalen Arbeitsmarkt, mit diesem Rüstzeug auch einen guten Job zu bekommen?
Grasser: In unserer Kunststoff-Werkstätte bieten wir einen Einblick in unsere Ausbildung, bei der wir mit modernen Materialien und Kunststoffen arbeiten. Die Schüler:innen erhalten eine Einführung in das Spritzgießen, sowie einen wichtigen Teil der Ausbildung im Recycling. Der Grundstock der Ausbildung liegt im Maschinenbau. Zusätzlich wird die Ausbildung in Richtung Recycling und Kunststofftechnik sowie Smart Engineering ausgebaut.
Das Image von Kunststoff hat, aufgrund der negativen Berichterstattung in Zusammenhang mit Mikroplastik, einen bitteren Beigeschmack erhalten. Welche Entwicklungen und Trends wird es in Zukunft zusätzlich zur Wiederverwertung geben?
Grasser: Der schlechte Ruf von Kunststoffen macht uns blind gegenüber ihrer vielseitigen Nutzung in unserem Alltag. Dinge, die wir jeden Tag benutzen, wie Zahnpasta, Zahnbürste und Fön enthalten Kunststoffe. Das bedeutet, Kunststoff ist aus unserem Alltag nicht wegzudenken. Aus diesem Grund ist es besonders für die Zukunft wichtig, dass Ingenieure Produkte so entwickeln, dass die Materialien im Anschluss wiederverwertet werden können. Dies erfordert eine intelligente Entwicklung, sodass man eine gute Trennbarkeit über alle Werkstoffarten erreicht und nachhaltige Kreisläufe geschaffen werden.
Im Hinblick auf Ihre Partner aus der Industrie, mit denen Sie gemeinsam an neuen intelligenten Lösungen arbeiten – welche Standortvorteile hat der Wirtschaftsstandort Kärnten für Sie persönlich?
Grasser: Kärnten ist ein beispielhafter Wirtschafts-, Forschungs- und Bildungsstandort, der stets bemüht ist, junge Menschen und zukünftige Fachkräfte dabei zu unterstützen, erfolgreich zu sein. Aber als Kärntnerin kann ich mit Stolz sagen, dass die schöne Landschaft, Natur, Seen, Freizeitmöglichkeiten und Sportmöglichkeiten Kärnten, gegenüber anderen Bundesländern, einzigartig machen. Diese Aspekte ermöglichen es den Menschen in Kärnten, einen einzigartigen Lebensweg durch die neue Work-Life-Balance zu finden.
Was würden Sie sagen, muss ein junger Mensch mitbringen, wenn er sich bei Ihnen bewerben möchte?
Bergmoser: Schüler:innen, die Empathie und Begeisterung für ihre Ausbildung mitbringen, machen es sich leicht. Dieser Enthusiasmus ist ein wichtiges Thema und stellt den Kern dar. Mit dieser Freude kann man im Leben Erfolg haben. Dass auch wir als HTL Ferlach diese Eigenschaften und unsere Schüler:innen fördern und uns weiterentwickeln, ist der Grund, warum die HTL Ferlach im Süden Kärntens als südlichste HTL Österreichs existiert.
Grasser: Unsere Ausbildung hat einen besonderen Schwerpunkt darauf gelegt, dass Schüler:innen projektorientiert und selbstständig lernen. Diese Offenheit und Flexibilität, sich frei bewegen zu können, ist notwendig, da das aktuell vermittelte Wissen in fünf Jahren möglicherweise nicht mehr aktuell ist. In Zukunft müssen Ingenieur:innen somit in der Lage sein, das früher erlernte Wissen weiterzuentwickeln. Ein unerlässlicher zukunftsorientierter Aspekt ist es dann, die Schüler:innen dazu bestmöglich zu ermutigen und zu fördern.
Monika Grasser, Abteilungsvorständin
“Wir benötigen Kunststoffe im täglichen Leben. Wie diese bestmöglich recycelt und für die Wiederverwendung aufbereitet werden, ist eine der großen Fragen, die wir uns in der Ausbildung stellen.”