Das Silicon Valley von Österreich
Kärnten zählt zu den europäischen Hotspots der Mikroelektronik-Industrie oder besser gesagt: der Electronic Based Systems (EBS) –
der versteckten Helden der Elektro- und Elektronikindustrie. Forschungsintensive Großunternehmen und innovative regionale Player vernetzt mit Technologieparks,
Universität und Fachhochschulen bilden ein Ökosystem für Innovationen. Diese Konstellation macht Kärnten zu einem bestens vernetzten,
international attraktiven Wirtschaftsstandort.
Schlüsseltechnologie der Digitalisierung
Elektronik- und Softwarebasierte Systeme sind das technologische Rück¬grat der Digitalisierung. Ohne sie wären Anwendungen wie automatisiertes Fahren, Internet of Things (IoT), intelligente Infrastrukturen oder auch Industrie 4.0 nicht möglich. EBS sind die Schlüsseltechnologien für alle modernen Anwendungen und die Grundlage für Innovationen. Die Stärkefelder in Kärnten liegen dabei in den Bereichen Embedded Systems, Leistungselektronik, Materialien und Sensorik. Neben den qualitativ hochwertigen Studienrichtungen bzw. Ausbildungen, bietet Kärnten viele Jobmöglichkeiten in international agierenden Unternehmen mit einer hohen Technologiekompetenz.
1. Internationale Konzerne & Local Heroes
Konzerne und Tech-Giganten wie Infineon, Intel, flex, CISC Semiconductor oder LAM Research haben in Kärnten eine starke Basis und setzen gemeinsam mit heimischen Unternehmen wie Ortner Reinraumtechnik, Kelag, Augmensys, PMS Elektro- und Automationstechnik, Hasslacher Norica Timber oder Wild Hi-Precision weit über die Landesgrenzen hinaus bedeutende Akzente. Diese gute Balance aus Regionalität und Internationalität ist wesentlich für das gesunde Netzwerk.
2. Ausgezeichnete Forschung
Befeuert werden Innovation und Wachstum von ausgezeichneten Forschungseinrichtungen. Neben Joanneum Research Robotics und Fraunhofer Austria besteht mit den Silicon Austria Labs (SAL) eine weitere klar fokussierte Spitzenforschungseinrichtung. Mit diesen Organisationen wird die Forschung auf dem Gebiet elektronikbasierter Systeme im Netzwerk von Wissenschaft und Industrie auf eine völlig neue Ebene gehoben.
3. Technologie- und Innovationscluster
Unter dem übergeordneten Ziel der strategischen Standortentwicklung in diesem Bereich verbindet der Silicon Alps Cluster Industrie, Forschung, Ausbildung sowie die öffentliche Hand und bündelt Herausforderungen, Strategien und Potenziale für den Wirtschaftsstandort. Der Silicon Alps Cluster vertritt gleichwertig die Interessen seiner Mitglieder und die öffentlichen Anliegen für eine objektive, fakten- und chancenorientierte Standortentwicklung. Die Serviceleistungen sind insbesondere auf KMUs, Gründer und Gründerinnen und kooperative Projektentwicklungen ausgerichtet.
4. Größter Forschungsreinraum Österreichs
Am Forschungsstandort Villach betreibt SAL den größten Forschungsreinraum Österreichs, der offen ist und theoretisch von jeder Firma genutzt werden kann. Neben Forschung im klassischen Sinne lassen sich darin auch bestimmte Kleinserien herstellen und das sog. „valley of tears“ zwischen der Serie eins und großen Stückzahlen überbrücken. Für den Mittelstand, SMEs und Start-Ups hat SAL eigene Prozesse entwickelt, die sie diesen Firmen zur Verfügung stellt. Flächenmäßig liegt Kärnten mit dem 1.400 Quadratmeter umfassenden Reinraum unter den Top 6 innerhalb von Europa.
Interview mit Christina Hirschl, CEO Silicon Austria Labs
„Es ist das gute Netzwerk, das Kärnten vor allen Dingen ausmacht“
Die Erfolgsgeschichte der Silicon Austria Labs (SAL) kann sich sehen lassen: Die außeruniversitäre Forschungsorganisation wurde 2018 mit der Vision gegründet, die heimische Industrie im Bereich Elektronik- und Softwarebasierte Systeme zu unterstützen. Angewachsen auf ein Team von 330 Mitarbeitenden aus 40 Nationen ist SAL heute ein Spitzenforschungszentrum von Weltklasseformat und Pionier in Elektronik- und Softwarebasierten Systemen. Im Interview gibt CEO Christina Hirschl Einblick in Kooperationen, Entwicklungschancen und ihren persönlichen Antrieb.
Christina Hirschl, CEO Silicon Austria Labs
„Durch den starken europäischen Fokus, der durch den Chipsektor auf die Mikroelektronik gelegt worden ist, wird sich auch in den nächsten Jahren noch wahnsinnig viel tun. Das begreife ich als riesige Chance für Europa, aber auch für Kärnten im Besonderen.“
Carinthia.com: Frau Dr. Hirschl, als Innovationsstandort ist Kärnten vor allem für eine starke Verbindung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft bekannt. Welche Rolle spielt hier SAL?
Christina Hirschl: Generell sieht sich SAL in einer Art Brückenfunktion – zwischen der Grundlagenforschung an den Universitäten und SAL einerseits, zwischen SAL und der Industrie andererseits. Dabei steigt die Industrieforschung für gewöhnlich in dem Moment mit ein, in dem ersichtlich wird, dass sich aus einer ersten Idee auf dem Papier in absehbarer Zeit ein konkretes Produkt entwickelt. Der sog. „technology readiness level“ ist hier ein guter Orientierungspunkt, quasi der Reifegrad einer Technologie auf ihrem Weg in die Regale. Uns geht es vor allen Dingen darum, die Schwierigkeiten, auf die die Industrie in dieser Kette üblicherweise stößt, zu überbrücken und weitestgehend aufzuheben. Welche Themen treiben zum Beispiel die Universitäten um? Was passiert in Fachkonferenzen? Und was gibt es Neues in der sog. „blue sky“-Forschung? SAL ist hier bestens informiert – und identifiziert diejenigen Themen, die in Zukunft auch für die Industrie von Interesse sein könnten.
Carinthia.com: Was macht Kärnten aus Ihrer Sicht besonders für die IKT und Mikroelektronik interessant?
Hirschl: Ich glaube, es ist das gute Netzwerk, das Kärnten vor allen Dingen ausmacht. Wenn man als Region einmal eine bestimmte Stärke für sich identifiziert und sie herausgearbeitet hat, siedeln sich weitere, gleichgesinnte Unternehmen fast schon automatisch an. Die Verbindung zwischen Kärnten und Steiermark im Bereich IKT und Mikroelektronik ist in den letzten Jahren ausgesprochen stark geworden. Unternehmen wie Infineon, AMS, AT&S, NXP und TDK tun ihr Übriges – und tragen als starke Firmenpartner dazu bei, Kärnten als Region attraktiv zu machen. Ich denke, rund um dieses Ökosystem entwickeln sich dann einfach gewisse Dinge. Nichtsdestotrotz kann man hier aber natürlich auch von einer Art Synergieeffekt mit dem sprechen, was wir in Kärnten grundsätzlich zu bieten haben. Denn wenn man global denkt, lässt Kärnten, was Work-Life-Balance, Lebensqualität, Sicherheit und Bildung angeht, wirklich keine Wünsche offen. Kurz gesagt: Mit IKT und Mikroelektronik ist in Kärnten ein Stärkefeld entstanden, das man weiter forcieren muss. Gepaart mit den Grundvoraussetzungen, mit den Vorzügen der Region an sich, herrschen sowohl in beruflicher als auch in privater Hinsicht quasi ideale Bedingungen.
Carinthia.com: Also gewissermaßen das Silicon Valley von Österreich?
Hirschl: Definitiv! Ich finde es sensationell, dass sich Südösterreich in den letzten Jahren so gut positioniert und entwickelt hat, da ist uns mit der Mikroelektronik wirklich etwas Tolles gelungen. Mit einem Forschungsreinraum, der 1.400 Quadratmeter umfasst, liegen wir beispielsweise flächenmäßig unter den Top 5 oder 6 innerhalb von Europa. Nicht zuletzt der sog. Silicon Alps Cluster, der wiederum als Netzwerkpartner zwischen Kärnten und Steiermark agiert, sorgt dafür, dass wir als Region wirklich ausgesprochen gut aufgestellt sind. Von einem Silicon Valley kann man da schon sprechen.
Carinthia.com: Wie würden Sie die Mikroelektronik-Industrie in Kärnten im europäischen Vergleich einordnen, wo steht Kärnten da im Moment und wo möchte es hin?
Hirschl: Im Grunde glaube ich, dass sich Kärnten sehr gut positioniert hat. Erst vor Kurzem durfte ich mich zum Beispiel darüber freuen, dass durch das neue Förderprogramm „Chips JU“ beträchtliche Mittel für den Bereich der Mikroelektronik-Forschung nach Österreich fließen werden – und davon ist auch Kärnten unmittelbar betroffen. Konkret heißt das: Wir haben viele Firmenpartner und Forschungszentren, die hochkompetitive Ausschreibungen von Horizon Europe gewinnen und sie nach Österreich bringen. Neben Infineon und AVL war tatsächlich auch SAL unter den Top 3. Das war für mich gewissermaßen das Tüpfelchen auf dem i. Aber auch unabhängig davon tut sich in Kärnten gerade viel. Woran ich beispielsweise merke, dass wir wirklich Teil des großen Ganzen werden, ist die Tatsache, dass wir u.a. Anfragen von CEA-Leti, IMEC und den Fraunhofer-Instituten bekommen, den großen Playern in Europa, bei denen wir jetzt mitspielen dürfen.
Carinthia.com: SAL ist nicht nur international aktiv, sondern versteht sich auch als Partner der kleineren und mittleren Unternehmen in der Region. Mit welcher Zielsetzung?
Hirschl: Tatsächlich gibt es eine Vielzahl an kleineren Partnern, die in unser Ökosystem eintauchen und das SAL-Netzwerk nutzen. Denn für uns ist nicht das Volumen ausschlaggebend, also wie viel Geld ein Partner in unser Forschungszentrum investiert, sondern vielmehr das, was am Ende des Tages herauskommt, welchen Impact ein Projekt auf Wirtschaftlichkeit oder Nachhaltigkeit, welchen Impact es auf die Gesellschaft hat. Viele der Projekte, an denen wir beteiligt sind, brauchen ihre Zeit. Sie im täglichen Leben zu spüren, dem Endprodukt im Verkaufsregal zu begegnen, das bereitet mir auch heute noch eine große Freude. Obendrein das eigene Zuhause zu unterstützen, die Region, in der man arbeitet und lebt, zum Blühen zu bringen, das gehört für mich zum Berufsethos genauso dazu wie internationaler Erfolg.
Carinthia.com: Noch kurz zu Ihnen: Sie sind promovierte Physikerin, Ihre Doktorarbeit befasst sich mit den „chaotischen Eigenschaften von Flüssigkeiten“. Wie viel Chaos verträgt die Wissenschaft? Und sind es nicht oft gerade die unvorhergesehenen Dinge, die uns zu immer neuen Höchstleistungen animieren?
Hirschl: Ja, das bringt es durchaus auf den Punkt. Im Zentrum meiner Dissertation steht die sogenannte Chaostheorie, also die Frage danach, wie eine kleine Änderung im System das ganze System verändern kann. Ich glaube, jeder kennt den metaphorischen Schmetterling in Australien, der mit einem einzigen Flügelschlag Europa ins Chaos stürzt. Das ist die Welt, die ich damals mit großem Spaß erforscht habe. Klar geworden ist mir aber mit der Zeit, dass mir in diesem Zusammenhang auch ein wesentlicher Aspekt der Wissenschaft gefehlt hat. Heute finde ich Forschung dann besonders attraktiv, wenn sie einen Impact hat. Ist unsere Welt ein bisschen besser, cooler, sicherer, effizienter, ökologischer geworden? Solche Dinge treiben mich an. Außerdem finde ich es spannend, wenn unterschiedlichste Personen an einem gemeinsamen Projekt arbeiten. Hier entsteht in meinen Augen Innovation. Und dafür reicht es manchmal schon, wenn man bei einer Tasse Kaffee in der Küche zusammenkommt, miteinander spricht und sich ein paar Notizen auf dem Whiteboard in der Ecke macht. Soll heißen: Wenn die richtigen Personen einen Kaffee zusammen trinken, entstehen oftmals tolle Dinge. Dass Kooperation, gleichzeitig aber auch Individualität und Besonderheit in unserer Zeit Schlüsselwörter sind, daran glaube ich fest.